Ohne Strategie hilft nur Glück
Unternehmensentwicklung ist kein Roulette
Eine Strategie ist der Weg zu den Wettbewerbsvorteilen von morgen. Auch viele Chefs kleiner Unternehmen haben dies erkannt und planen inzwischen langfristiger. Sie werden belohnt durch höhere Gewinne und motivierte Mitarbeiter.
Das Wichtigste in Kürze
Strategie befasst sich mit der systematischen Gestaltung der Unternehmenszukunft. Firmen, die kontinuierlich an ihrer Strategie arbeiten, sind erfolgreicher als jene, die es „laufen lassen“. In diesem Beitrag stellen wir Ihnen Instrumente vor, mit denen Sie die strategische Entwicklung in Ihrem Unternehmen vorantreiben können.
Intro
„Schlappgelacht“ hat er sich angeblich. 500 Dollar für ein Telefon? Und dann noch ohne Tastatur? Nein, über eine solche Erfindung wollte sich Microsoft-Chef Steve Ballmer keine Sorgen machen. Diese Einschätzung äußerte Ballmer vor gerade einmal fünf Jahren – in denen das iPhone Geschichte machte und den Markt mobiler Kommunikation komplett umkrempelte. Apple hat seinen Wettbewerber Microsoft als weltweit wertvollsten Technologiekonzern inzwischen abgelöst.
„Seit der industriellen Revolution sieht man Technologieunternehmen kommen und verschwinden, das ist eine Frage des richtigen oder falschen Strategiemanagements – wer seine Zeit verschläft, verschwindet vom Markt“, sagt Martin Langer, verantwortlich für Corporate Development bei der Brain AG in Zwingenberg. Ohne Strategie helfe nur noch Glück, und darauf sollte man sich als Unternehmer besser nicht verlassen. Beim Biotechnologieunternehmen Brain wird daher ständig an der eigenen Strategie gefeilt. Die gesamte Belegschaft ist kontinuierlich an der strategischen Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen beteiligt.
Hinter dem Begriff „Strategie“ verbirgt sich ein ganzes Sammelsurium von Maßnahmen, Aktivitäten und Projekten zur Gestaltung der Unternehmenszukunft – die in vielen KMU nach wie vor stiefmütterlich behandelt wird. „Natürlich hat jedes mittelständische Unternehmen eine Strategie, doch häufig ist diese nicht sichtbar – und damit nicht greifbar“, sagt Heiko Finn, Geschäftsführer der Indigma Management Consulting GmbH in Stuttgart. Es sei eine große Herausforderung für kleine Unternehmen, Zukunftsthemen so in Worte zu fassen, dass sie nach außen getragen werden können. „Die Leitgedanken einer Unternehmung existieren oft nur im Kopf des Chefs und werden nicht geteilt“, erklärt Finn. Wenn das Unternehmen wachse, vergesse man leicht, die wesentlichen Punkte aufzuschreiben – oder man unterschätze die Wichtigkeit dieser Aufgabe.
Zukunftsthemen in Worte fassen
Nach Erfahrung vieler Unternehmensberater liegt die Schwierigkeit ohnehin weniger darin, den richtigen Weg zu finden, sondern das Ziel ausreichend zu beschreiben. Stichwort: Geplantes Handeln. Berater Finn vergleicht das Wirtschaftsgeschehen gerne mit einer Nebelbank: „Wir sehen nur die nächsten Schritte, ein Jahr bis maximal drei – im Nebel braucht es andere Navigationssysteme, die Vision ist unser Kompass“, so seine Überzeugung. Wie ein Magnet feine Eisenspäne ausrichtet, gibt die Vision eine Orientierung, bündelt Kräfte und sorgt dafür, dass alle Beteiligten in die gleiche Richtung laufen.
Bei „Strategie“ oder „Vision“ denkt man an etwas Großes, Weitreichendes. Dabei bringen auch kleine Dinge den Stein ins Rollen. „Wir fragen uns immer wieder, wo die Kunden der Schuh drückt – genau da bekommen wir wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung unserer Strategie“, berichtet Anke Schmietainski, Geschäftsführerin der Altamedinet GmbH in Hemmingen. Mithilfe einer konsequenten Engpassorientierung hat sich ihr Unternehmen als Deutschlands erste Fachagentur für Komplementärmedizin positioniert. Jährliche Strategie-Meetings justieren das Wirtschaften in der Nische stetig nach. Ein Erfolgs-Tracking für Marketingkanäle, Messekontakte oder Kundenumsatzbetrachtungen liefert neben betriebswirtschaftlichen Kennzahlen die Basis, um strategische Rückschlüsse ziehen zu können.
Nachfolge und Strategieentwicklung
In anderen mittelständischen Betrieben läuft Führung eher intuitiv. Der Große Bruch und die Entdeckung strategischer Planung erfolgen häufig beim Generationswechsel: „Strategieentwicklung ist ein Nachfolgethema: Die Strategie im Kopf des Seniors ist dem Nachfolger verschlossen und muss von ihm neu erfunden werden“, berichtet Klaus Zimmermann, Leiter des Bereichs Training und Consulting bei Festo Didactic in Denkendorf. Er glaubt: „Die kulturelle Seite von Strategie wird häufig unterschätzt – wer heute überlegt, wo er morgen stehen will, darf nicht nur an Umsatz und Kennzahlen denken, sondern auch daran, wie seine Mitarbeiter Kompetenzen entwickeln, damit die Strategie überhaupt Realität werden kann.“ „Strategie muss schriftlich festgehalten werden“, ergänzt Werner Bayer, Vorstand der Helfrecht AG in Bad Alexandersbad. Denn das Dokumentieren helfe, den eigenen Weg kontrolliert zu verfolgen und Risiken frühzeitig zu erkennen. Dabei dürfe es im Strategieprozess keine Denkverbote geben: „Wenn ein Unternehmen den Web einer Branche nicht mitgehen kann, muss sie dies in ihrer Strategie berücksichtigen, sei es durch Kooperationen, in bestimmten Detailbereichen oder anderen Allianzen.“ Bayer empfiehlt, immer Plan B parat zu haben, um der Dynamik der Wirtschaft jederzeit begegnen zu können. Wo es an betriebswirtschaftlicher Kompetenz mangelt, muss dabei auch der Steuerberater in die Bresche springen. „Dann sollen wir plötzlich mehr Verantwortung tragen, als manchen Kollegen lieb ist“, berichtet Kathrin Deuble-Dietl, Steuerberaterin und Diplom-Finanzwirtin aus dem schwäbischen Winnenden. Doch nur bei der richtigen Chemie und solidem betriebswirtschaftlichen Hintergrund kann der Steuerberater einen sinnvollen Beitrag leisten.
„Manche Dinge sieht man nicht auf den ersten Blick, und Kennzahlen sagen etwas über Strukturen und deren Veränderung aus“, erklärt Tobias Augsten, Geschäftsführer von Weissmann & Cie. In Nürnberg: „Wer sein Geschäft strategisch entwickeln will, braucht für die Umsetzungsplanung eine Cockpit-Logik.“ Er empfiehlt, sicher lieber früher als später dem Thema zu stellen. Eine Strategie zu entwickeln dürfe nie dringend sein. Trotzdem fänden Strategieprozesse zu oft nur fallbezogen und mit geringer Strukturierung statt. Dabei lauern eine Menge Fallstricke: „Die Sitzungsqualität von Strategie-Meetings ist oft schlecht – viele Unternehmen sind nicht in der Lage, in angemessener Zeit und in guter Qualität eine Strategie zu formulieren“, reklamiert der Berater. Er bemängelt zudem fehlende Disziplin bei der Vorbereitung solcher Treffen: Ohne Marktrecherchen oder die vorherige Auswertung eigener Kennzahlen sei es Energieverschwendung, einen Strategieprozess zu starten.
Strategie – warum eigentlich?
Wer den Überraschungen der Zukunft erfolgreich begegnen möchte, braucht eine individuelle Strategie, um
- seine Zukunft zu definieren und seinen eigenen Weg zu finden,
- sich langfristig auszurichten und dauerhaft orientieren zu können,
- Risiken einzukalkulieren, Entscheidungen stets auf einer verlässlichen Grundlage sicher treffen und Ressourcen richtig einsetzen zu können,
- alle Kräfte im Betrieb zielorientiert bündeln und für den gemeinsamen Erfolg fokussieren zu können,
- im Bedarfsfall bei Kapitalgebern und anderen Partnern Unterstützung zu bekommen,
- bei unerwarteten Entwicklungen oder plötzlichen Störungen rasch und flexibel reagieren zu können,
- sich nicht durch einzelne Misserfolge verunsichern oder gar aus der Bahn werfen zu lassen,
- auch über lange Distanzen und Zeiträume hinweg erfolgreich bestehen zu können.
Welche Strategie wollen Sie verfolgen?
Die Vorwärtsstrategie: Hier geht es um Wachstum, Entwicklung, Expansion. Die Defensivstrategie: Hier handelt es sich um die Verteidigung einer (führenden) Marktposition. Die Rückwärts- oder Rückzugsstrategie: Vielleicht auch nur vorübergehend der richtige Weg, wenn Ihre Kernkompetenz nicht mehr ausreichend für die Steigerung der Werthaltigkeit des Unternehmens genutzt werden kann. Achtung, wenn Sie diese Strategie wählen, sollten Sie dringend die Frage beantworten, wie Sie die Stärken Ihres Unternehmens rasch in andere wertsteigernde Felder einbringen können.
So entwickeln Sie Ihre Unternehmensstrategie
Schritt 1 – Skizzieren Sie Ihre Kernkompetenzen
a) Was schätzen Ihre Kunden besonders an Ihrem Unternehmen? Welche Rückmeldungen kommen dazu bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bei Ihnen selbst immer wieder an? Fragen Sie doch Ihre Kunden auch danach, was sie an der Zusammenarbeit mit Ihrem Haus besonders schätzen.
b) Womit heben Sie sich mit Ihrem Unternehmen von Ihren Hauptkonkurrenten ab? Welchen (Haupt-)Nutzen bieten Sie welchen Kunden? Wo liegen Ihre speziellen Stärken im Kerngeschäft? Woher kommt Ihr Unternehmen in seiner Historie?
Aufgepasst: Berücksichtigen Sie unbedingt auch weiche Faktoren wie Zuverlässigkeit, Service, guter Kontakt, Kontinuität, sympathischer Marktauftritt etc.
Schritt 2 – Überprüfen Sie die Erfolgsfaktoren Ihres Unternehmens:
Machen Sie eine einfache Stärken-Schwächen-Analyse. Wie steht es um
- den Unternehmer und sein Team
- exzellente, am Kundennutzen orientierte Produkte/Dienstleistungen
- permanente, systematisch betriebene Innovationen
- eine leistungsfähige Organisation, die sich kontinuierlich verbessert
- eine Kundenorientierung, die sich am Kundennutzen auflädt
- solide Finanzen und angemessene Gewinne
- einen guten Ruf
- eine starke Marke
- konkrete Unternehmensziele?
Schritt 3 – Vorwärts, rückwärts oder defensiv?
Definieren Sie Ihre einzuschlagende Strategie - entweder oder...und sorgen Sie für übereinstimmende Einigkeit im Führungsteam, damit alle an einem Strang ziehen.
Schritt 4 – Legen Sie den zukünftigen Kurs fest:
a) Welche Marktposition streben Sie in der nächsten Periode (idealerweise sieben Jahre) an?
b) Auf welche Ressourcen können Sie dabei zurückgreifen, welche müssen Sie neu schaffen?
c) Welche Jahresziele ergeben sich daraus in dieser Periode?
Schritt 5 – Leiten Sie Schwerpunkte für die kurz- und mittelfristige Planung ab:
Ergänzen Sie Ihre Zielpläne um Aspekte, die aus Ihrer Sicht für die strategische Zielerreichung notwendig sind.