#SchwarmDUMM

 

So blöd sind wir nur gemeinsam


Die "Schwarmintelligenz" treibt uns geradewegs ins Verderben. Denn statt einer Konzentration an Intelligenz regiert im Schwarm oft das Prinzip: Viele Köche verderben den Brei. Sinnlose Meetings, schmerzhafte Kompromisse, unausgereifte Ergebnisse trotz Teamarbeit sind in Unternehmen und Institutionen keine Ausnahme, sondern die Regel.





"Schwarmdummheit" nennt es zum Beispiel Prof.Dr. Gunter Dueck, Querdenker und Arbeitsweltexperte. Damit macht er uns klar, warum jeder Einzelne im Team oft besser entscheidet als das Team selbst. "Wild Duck" seziert die Brutstätten der Schwarmdummheit und zeigt uns gleichzeitig, wie das genial Einfache in der Masse entstehen kann.


Nur das System, in das er sich da zwinge, treibe ihn früher oder später in den Wahnsinn. Ein System, das von "SABTA"-Typen bestimmt wird (Sicheres Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit). Mit ihrer nervösen Geschäftigkeit erfinden die SABTA-Heinis ständig neue Zuständigkeitsbereiche für ihre Mitarbeiter. Weitere Bereiche erfordern weitere Absprachen. Also: Meetings, Meetings, Meetings. Bei den Mitarbeitern führt das zu Stress, zu Überlastung und Konflikten. Nächster Schritt, laut Dueck: eine mentale und produktive Abwärtsspirale setzt sich in Gang. Schwarmdummheit, die so tragisch enden kann wie die Fliege auf dem Buchumschlag.

  • … enttarnt das Wesen der Schwarmdummheit.

  • … zeigt, wie Dummheit in Schwärmen entsteht.

  • … erklärt, warum der grosse Schwarm sich selbst genügt - und deshalb zu oft den Blick über den Tellerrand vermeidet.

  • ... weist den Weg, wie alle zu Freunden eines gemeinsamen und tatsächlich erstrebenswerten Ganzen werden.


Die Welt wird immer komplizierter, wie soll man da als Einzelner noch den Überblick behalten? Auf sich allein gestellt erscheint das unmöglich - aber wenn Hunderte oder Tausende Menschen sich zusammentun, sieht die Sache schon anders aus. Der Mensch profitiert von der sogenannten Schwarmintelligenz, der Weisheit der Vielen.

Der Nachrichtendienst Twitter gilt als Musterbeispiel für erfolgreiche Schwarmintelligenz. Spannende Nachrichten finden rasend schnell Verbreitung, Langweiliges verschwindet bereits nach wenigen Tweeds im Datennirwana. Dass Menschen gemeinsam bessere Entscheidungen treffen als einer allein, haben Experimente schon mehrfach bewiesen. So können Personen das Gewicht eines Bullen relativ präzise bestimmen, wenn sie einfach den Mittelwert ihrer Schätzungen nehmen.

Aber es gibt auch immer wieder Zweifel an der Weisheit der Vielen. Wie konnte es beispielsweise zur Finanzkrise kommen? Ein Forscherteam von der ETH Zürich hat nun in einem Experiment gezeigt, wie schnell Schwarmintelligenz in Schwarmdummheit umschlagen kann. Sobald Menschen nämlich erfahren, dass andere über ein Problem anders denken als sie selbst, ändern sie ihre eigene Meinung - zumindest ein bisschen.

Vertrauen in eigene Schätzung immer größer

Dirk Helbing und seine Kollegen stellten 144 Studenten der ETH Zürich sechs verschiedene Fragen. Unter anderem wollten sie wissen, wie hoch die Bevölkerungsdichte in der Schweiz ist, wie viele Kilometer die Grenze zwischen der Schweiz und Italien misst und wie viele Morde es 2006 in dem Land der Eidgenossen gegeben hat. Sämtlich Zahlen, die jeder irgendwann schon mal gehört hat, aber kaum genau kennt. Damit die Probanden auch motiviert waren, gute Antworten zu geben, bekamen sie etwas Geld als Belohnung, wenn sie dem tatsächlichen Wert besonders nahe gekommen waren.

Die Weisheit der Vielen wurde auf zwei verschiedene Arten berücksichtigt. Ein Teil der Probanden erfuhr nach der ersten eigenen Schätzung den Mittelwert aller anderen Studienteilnehmer, denen dieselbe Frage gestellt worden war. Ein anderer Teil der Probanden bekam sogar die Schätzwerte aller anderen Teilnehmer vorgelegt. Jede Frage wurde fünfmal wiederholt. Am Anfang und am Ende wurden die Probanden zudem gefragt, wie sicher sie sich mit ihrer eigenen Schätzung sind.

Bei fast allen Fragen zeigte sich, dass die zuerst gegebenen Antworten im Durchschnitt die besten waren. Je mehr die Probanden über die Schätzungen der anderen Studienteilnehmer wussten, umso mehr sank die Schwarmintelligenz. Extremwerte verschwanden nach und nach, die Schätzwerten der einzelnen Probanden näherten sich immer mehr an, ohne dass der Mittelwert dem tatsächlichen Wert näher kam.

Das Experiment zeige, dass sozialer Einfluss die Diversität der Antworten verringere, nicht jedoch den kollektiven Fehler, schreiben die Forscher im Wissenschaftsblatt "Proceedings of the National Academie of Sciences" 

. Gleichzeitig seien sich die Teilnehmer auch immer sicherer gewesen, dass ihre eigene Schätzung stimme, obwohl dies objektiv nicht der Fall war. Dieses Phänomen bezeichnen die Wissenschaftler als Vertrauenseffekt. "Das ist genau wie vor der Finanzkrise", sagt Helbing im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Wenn alle anderen das Gleiche machen wie man selbst, glaubt man, auf dem richtigen Dampfer zu sein."

Grundlage der repräsentativen Demokratie

"Wenn Menschen sehen, wie andere Menschen denken und entscheiden, konvergieren die Meinungen", sagt Helbing. Dieser Effekt betreffe alle Gremien in Politik und Wirtschaft, überall, wo man zusammensitze und diskutiere. "Ein derartig zustande gekommener Konsens kann eine schlechte Entscheidung sein." Sich an anderen Menschen zu orientieren, sei nicht automatisch gut, warnt der ETH-Forscher. "Es ist wichtig, ein Meinungsspektrum zu kultivieren und nicht von Vornherein auf Konsens zu gehen." Abweichende Meinungen seien wichtig, auch, um kritisch zu bleiben gegenüber der eigenen Meinung.

"Mit dem Begriff Schwarmintelligenz bin ich nicht so glücklich", sagt Helbing. Er passe sicher gut für Fische oder Vögel, "wir Menschen verhalten uns jedoch nicht einfach so wie Schwärme". Dass Probanden sich nach und nach in ihren Schätzungen immer mehr annähern, erklärt der Wissenschaftler mit dem Herdentrieb, den es unbestrittenerweise unter Menschen gibt - siehe Aktienmarkt oder Mode. Es gebe immer wieder neue Trends, und der Mensch neige dabei dazu, über das Ziel hinauszuschießen.

Um die Weisheit der Vielen trotzdem nutzen zu können, ist es wichtig, dass der Einzelne bei seiner Entscheidung nicht weiß, wie die anderen entscheiden. "Das ist auch Grundlage der repräsentativen Demokratie", sagt Helbing. Die kollektive Weisheit funktioniere gut, solange Menschen unabhängig voneinander wählen könnten.







Auf geht's ins Interview...


Dem Begriff der »Schwarmintelligenz« setzen Sie mit Ihrem neuen Buch den der »Schwarmdummheit« entgegen. Was hat Sie dazu gebracht?

 

In der Schule wird uns ein Bild davon vermittelt, was wunderbar ist: die Note 1. Letzten Endes aber wollen wir uns doch nur davor schützen, keine 5 zu bekommen. Wir versuchen deshalb, die schlimmsten Fehler möglichst zu vermeiden. Die Philosophen sprechen vom Ethos, die Götter fordern das Einhalten der Gebote, die Priester geisseln die Sünde. In diesem Sinn ist Schwarmintelligenz das von uns Geforderte und Schwarmdummheit das Reale, das bekämpft werden muss. Ich predige nicht, das ist mir zu einfach. Ich will die Schwarmdummheit beim Namen nennen und dabei helfen, sie einzudämmen.

 

Endlose Meetings, komplexe Entscheidungsprozesse – gerade Unternehmen identifizieren Sie als Zentren der »Schwarmdummheit«. Warum gilt hier »je mehr, desto dümmer«?

Es ist Mode geworden, den Einzelnen in den grossen Unternehmen ehrgeizige individuelle Ziele zu übertragen – und damit beginnt alle Schwarmdummheit. Denn dann stellt der Einzelne fest: Beim Erreichen meiner eigenen hohen Ziele stehen mir die Ziele der anderen oder die Interessen meiner Kunden im Weg. Diese anderen werden zunehmend als Behinderer wahrgenommen und nicht mehr als Partner oder Mitglied des eigenen Teams. Je komplexer die Organisation ist, desto mehr Hindernisse gibt es! Deshalb verkommt die eigentlich gewollte Teamarbeit (Note 1) zum Hindernislauf (Note 4 – 5). Das ist dumm, aber man hält es – in Unkenntnis der Dummheit – für unvermeidbar und sagt »Komplexität« dazu.


Sie schreiben, dass niemand in Unternehmen, Gremien, Parteien gemeinschaftlich so agiert und entscheidet, wie er als Individuum entscheiden würde. Warum opfern wir unsere individuelle Intelligenz der Gruppendynamik?

Das Mittel wird zum Ziel: Das Management »fokussiert« die individuelle Intelligenz über das Vehikel der (zu) ehrgeizigen Individualziele auf eben diese Ziele. Das erzeugt einen Einsatz der Ellenbogen, den man im Privaten so extrem nicht feststellen kann. Ein Beispiel: Viele Unternehmen wollen, dass man mit den Kunden hart verhandelt und Rechnungen schnell eintreibt – und eben das tun die Mitarbeiter dann auch. Wenn man als Selbstständiger arbeitet, weiss man sehr wohl, dass das gute Verhältnis zum Kunden wichtiger ist als das Quartalsergebnis. Aber obwohl der Einzelne das weiss, agiert er im Grossunternehmen anders und vergrätzt damit möglicherweise die Kunden des Unternehmens – während der Selbstständige weiss, es sind seine Kunden. In dem Moment, in dem ein Mitarbeiter so etwas tut, leugnet er seine eigene Intelligenz. – Ist ein solches Verhalten nicht dumm?

 

Bei Google wurde die Zwei-Pizzen-Regel für Meetings beschlossen. Mehr Mitarbeiter, als von zwei Pizzen satt werden, kommen nicht an einen runden Tisch. Ist das eine gute Idee?

Schon besser! Es geht aber nicht darum, möglichst wenig Personen in einen Raum zu lassen, sondern eher darum, nicht zu viele Interessen um einen Tisch zu versammeln. Schwarmintelligenz entsteht aus dem engagierten Verfolgen eines gemeinschaftlichen Ziels.

 

Sie zeigen in Ihrem Buch auch, wie wir gemeinsam klüger handeln können. Geben Sie uns einen kleinen Vorgeschmack?

Schwarmdumme sind wie Schüler, die zwischen 4 und 5 stehen. Man kann ihnen natürlich sagen, wie Note 1 geht. Aber das nutzt ihnen unmittelbar wenig. Wer zwischen 4 und 5 steht, muss erst einmal die gröbsten Fehler erkennen und abstellen: Setzen Sie realistische Ziele, die gern verfolgt werden. Vermeiden Sie Überlastung, fördern Sie den gegenseitigen Respekt unter den Mitarbeitern, vermeiden Sie Störungen im Betrieb … Das ist alles bekannt! Leider überlasten viele Unternehmen heute ihre Mitarbeiter dennoch so sehr, dass sie sich gegenseitig kaum noch respektieren (sondern eher behindern) und dass es immer wieder zu nervenaufreibenden Störungen im Ablauf kommt. Wir sehen das als Bahnreisende: Da es nicht genug Züge gibt, können sich auch kleinere Störfälle leicht zu massiven Behinderungen auswachsen, denn diese Störungen haben die fatale Neigung, sich auszubreiten. Was ich damit sagen will: Es geht gar nicht mehr darum, klüger zu handeln, sondern nur darum, die gröbsten Dummheiten zu unterlassen. Und diese Dummheiten habe ich in meinem Buch aufgelistet: Überlastung, Opportunismus, Anbeten der jeweils neuesten Managementhypes (was an Wunderglauben grenzt), eine fast schon idiotische Falschauslegung von Statistiken, Blindheiten gegenüber dem Wandel, zwanghafte Anwendungen von Regeln, die in der Vergangenheit einmal ganz gut waren, und so weiter und so fort.

Mein sehr ernst gemeinter Rat: Lassen Sie es!

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neo @ HR