SuperPOWER: Hochsensibilität!
Überfordern dich laute Geräuschkulissen oder viele Reize auf einmal? Dann bist du vielleicht hochsensibel. Hochsensible Menschen nehmen Reize stärker wahr, können sie schlechter filtern und fühlen sich daher schneller erschöpft. Laut Studien betrifft das etwa 15 bis 20 % aller Menschen. Auch Thora kennt solche Situationen, in denen ihr einfach alles zu viel wird. Erlebt ihr auch manchmal Anzeichen einer Hypersensibilität?
In dieser Folge trifft Thora auf Pauline. Pauline ist hochsensibel und hat ihren ganz eigenen Umgang damit gefunden. Wie sieht ihr Alltag aus? Wie schafft sie es, mit Reizüberflutungen umzugehen? Und kann Hochsensibilität statt einer Schwäche auch eine Superkraft sein?
Außerdem macht Thora den Selbsttest und spricht mit einem Psychologen: Welchen Leidensdruck erleben hochsensible Menschen? Und: Ist Hochsensibilität überhaupt eine anerkannte Diagnose? Was passiert da im Gehirn und wie kann man feststellen, ob man selbst betroffen ist?
Die Studie, in der herausgefunden wurde, dass es sich bei Hochsensibilität um das Extrem eines Kontinuums handelt, legt einem die Frage nahe: Es ist nicht die Frage, ob man hochsensibel ist oder nicht, sondern wie sensibel man ist.
Hochsensibilität
Noch immer schreiben mir Leser, wie autistisch sie sind, weil ich gebeten hatte, mir das ergebnis des Tests “Autismus-Quotient” mitzuteilen. Aber Jorinde Witte meinte, es gäbe noch andere typische Menschen unter z.B. Informatikern und wahrscheinlich noch mehr unter den Mathematikern. Ich solle mich doch einmal mit den Supersensitiven oder den Hochsensiblen Menschen befassen. Das habe ich gemacht – ich war ganz betroffen, als ich ein Buch von Elaine Aron dazu las. Sie setzte in den USA eine hochsensitive Welle mit einem Bestseller dazu in Gang. Und natürlich sah ich sofort, dass ich wiederum zu diesen Menschen am Rande gehöre, deren Anzahl Elaine Aron auf fünfzehn bis zwanzig Prozent aller Menschen schätzt. “Echt?”, dachte ich. “So viele?”
Was ist das, hochsensibel? Die schwach autistischen Menschen, die das Asperger-Syndrom zeigen, sind ja ebenfalls hochempfindlich gegen die Aussenwelt. Sie reagieren aber mit Flucht vor den Menschen oder mit Rückzug vor den Computer. Dort ist Ruhe. Es gibt aber anscheinend eine Menge anderer Menschen, die ebenfalls sehr empfindlich sind, die aber die anderen Menschen von Herzen brauchen und lieben. Da haben es “Aspies” einfacher: Sie ziehen sich zurück und kommen ganz ohne andere Menschen oder Strukturen oder Gesetze und Regeln aus! Ob sie wirklich ohne Menschen auskommen, ist dabei nicht so klar – sie run es jedenfalls, weil es ihnen die einzige sinnvolle Strategie zu sein scheint. Rückzug verspricht mehr Gewinn, als der Verlust der Mitmenschen kostet. Das wird dann irrtümlich als Menschenfeinklichkeit ausgelegt. Wer aber empfindsam ist und die Liebe anderer zum Leben braucht, der darf und kann nicht fortlaufen! Er bleibt also in der geliebten Nähe der geliebten Menschen – aber die sind leider ziemlich grob. Total grob! Das ist zum Heulen.
Deshalbt weinen die Hochsensitiven mindestens innerlich. Sie müssten aber eigentlich zurückhauen! Mir verriet jemand ihr hochsensibles Jugenderlebnis, dass ihr Grössere auf dem Spielplatz grob befohlen hatten, die Sandkörner zu zählen. Ohne grösseren Widerstand begann sie mit der Arbeit und lief weg, als die Bewachung kurz aussetzte. Und einmal ging sie stolz mit einer Tüte Pommes selig nach Hause, als ein grösseres Nachbarmädchen neben ihr radelte, sie begleitete und sich immer wieder genussvoll – wie selbstverständlich – aus der Tüte bediente.
Zurückhauen muss man da! Das können Hochsensible nicht, weil der Verlust der Mitmenschen schwerer wiegt als das Wehren. Denn sie lauben, man liebe sie ab sofort nicht mehr, wenn sie es den anderen nachtun und auch einmal etwas grob sind. “Aspies” und Hochsensible brauchen also beide Unabhängigkeit und Mitmenschenbindung, aber sie fahren extreme Verzichtsstrategien zur jeweils einen Seite hin.
Und wenn Sie das jetzt alles lesen – und wenn Sie zu viel innerlich weinen, dann will ich Ihnen sagen, dass wir alle mehr zurückhauen müssen. Oder uns wenigstens verbitte, grob behandelt zu werden. Auch wenn die anderen dann sagen: “Ach, mit die ist das echt schwierig – so sensibel wie du bist. Es wäre einfach, du wärst normal.” Ich will wider einmal sagen, dass die Arbeitswelt in dieser Zeit viel zu grob mit uns umspringt und uns hochsensitive Menschen offensichtlich damit eher beerdigt statt motiviert. Und wenn Sie nicht zurückhauen können, will ich wenigstens sagen, dass alles mit Ihnen okay ist, ausser, dass die Welt zu grob für Sie ist oder Sie zu fein sind für diese Welt. Sie sind fein – feingeistig – feinfühlig. Ganz fein! Und das ist das Problem. Zu fein! Und das Feine weint über das Grobe und das Grobe findes das weinende Feine als depressiv.