Digitalisierung stagniert

Nach dem Corona-Schub geben sich viele Unternehmen mit der erreichten Digitalisierung ihrer Prozesse zufrieden. Investitionen in digitale Geschäftsmodelle und Produkte werden zurückgefahren.

Nach dem Schub zu Beginn der Pandemie ist der Digitalisierungsschwung in Deutschlands Unternehmen wieder erlahmt, zeigt der neue Digitalisierungsindex des Instituts der deutschen Wirtschaft. Nach dem Sprung von 100 auf 111 Indexpunkte zu Beginn des Jahrzehnts ist der Index im vergangenen Jahr wieder auf 109 Punkte gefallen.

Verantwortlich dafür sind der scharfe Einbruch in der Kategorie „Digitale Produkte“ und der Rückgang bei den digitalen Geschäftsmodellen, da sich die Unternehmen in der aktuell schwierigen Wirtschaftslage auf ihre Kernprodukte konzentrieren und kaum Experimente wagen. „Eine stärkere Digitalisierung stellt in der derzeitigen Krisensituation für viele Unternehmen kein unmittelbares Instrument dar, um die Krise zu bewältigen oder die negativen Auswirkungen kurzfristig abzufedern – wie es in der Corona-Pandemie der Fall war“, folgern die Kölner Forscher.

Steil nach unten ging es auch beim „Humankapital“, da die Unternehmen kaum Fachleute mit digitalen Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt finden. „Der zunehmende Fachkräfteengpass, ausbleibende externe Innovationsimpulse oder ein geringeres Tempo beim Ausbau der Technischen Infrastruktur wirken derzeit eher bremsend als beflügelnd“, kommentieren die IW-Forscher die Ergebnisse.

Einen nennenswerten Anstieg verzeichneten sie lediglich in der internen digitalen Qualifizierung, da die Unternehmen als Reaktion auf den Fachkräftemangel stärker in die digitale Weiterbildung investiert haben als in den Jahren zuvor.


Unternehmen geben sich mit erreichter Digitalisierung zufrieden

Nachdem in den Jahren 2021 und 2022 noch die unternehmensexternen Kategorien die Digitalisierung angetrieben haben, zeigten sich im vergangenen Jahr bei externen wie bei den internen Faktoren keine Zuwächse mehr. „Die negative Entwicklung der unternehmensinternen Kategorien könnte ein Indiz sein, dass die Wirtschaft in Deutschland insbesondere bei der Digitalisierung ihrer Prozesse oder Geschäftsmodelle an einem Punkt angelangt sein könnte, an dem weitere Verbesserungen nur mit sehr viel Aufwand möglich sind“, vermuten die Autoren.


Viele Unternehmen geben sich offenbar mit der erreichten Digitalisierung der Prozesse zufrieden – obwohl im internationalen Wettbewerb vor allem digitale Geschäftsmodelle und Produkte den Unterschied ausmachen. Der nachlassende Schwung hat Konsequenzen: Im neuen „World Digital Competitiveness Ranking“ ist Deutschland im vergangenen Jahr um weitere vier Plätze auf Rang 23 von 64 untersuchten Ländern abgerutscht.


Vorreiter legen kaum noch zu

Der genaue Blick weist große Unternehmen, die IKT-Branche und die beiden südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg wie im Vorjahr mit deutlichem Abstand als Digitalisierungsvorreiter aus. Allerdings rücken die Größenklassen, die Branchen und Regionen enger zusammen, da die Vorreiter im vergangenen Jahr kaum noch zulegen konnten.


  • Auf der Ebene der Branchen nahm der Durchschnitt von 107,6 Indexpunkten im Jahr 2022 auf 105,1 Punkte im Jahr 2023 leicht ab. Spitzenreiter blieb die IKT-Branche. Sie erreicht einen Indexwert von 293,1 Punkten. Gegenüber dem Vorjahr erfährt die IKT-Branche mit einem Minus von 8,7 Punkten allerdings den stärksten Rückgang aller Branchengruppen.

  • Schlusslicht bei der Digitalisierung bleibt auch im Jahr 2023 die Branchengruppe Baugewerbe, Ver- und Entsorgung mit 67,2 Punkten. Den stärksten Zuwachs verzeichnet das sonstige verarbeitende Gewerbe mit einem Plus von 3,9 Punkten.

  • Auf der Ebene der drei Unternehmensgrößenklassen stagniert die Digitalisierung im Jahr 2023 ebenfalls. Große Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten verlieren das zweite Jahr in Folge Indexpunkte. Sie bleiben allerdings die am stärksten digitalisierte Unternehmensgrößenklasse mit 191,8 Punkten im Jahr 2023 im Vergleich zu 201,8 Punkten im Jahr 2022.

  • Mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten verzeichnen nach Zuwächsen im Vorjahr einen leichten Rückgang der Digitalisierung. Ihr Indexwert sinkt von 124,0 Punkten auf 122,3 Punkte im Jahr 2023.

  • Der Indexwert der kleinen Unternehmen mit 1 bis 49 Beschäftigten bleibt nahezu konstant bei unterdurchschnittlichen 94,5 Punkten im Jahr 2023 gegenüber 94,8 Punkten im Jahr 2022.




Der Süden liegt vorne, der Osten zurück

Die einzige Bundeslandgruppe mit einem leichten Digitalisierungszuwachs ist der Norden (Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein). Ihr Indexwert steigt von 104,1 Punkten im Jahr 2022 auf 104,5 Punkte im Jahr 2023 und klettert damit im Ranking von Platz vier im Jahr 2022 auf Platz zwei im Jahr 2023.

Die am schwächsten digitalisierte Bundeslandgruppe ist im Jahr 2023 der Osten (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen). Sie verliert 10,7 Indexpunkte und kommt auf insgesamt 98,6 Punkte.

Stark überdurchschnittlich bleibt die Bundeslandgruppe Süd (Baden-Württemberg und Bayern) mit 129,6 Indexpunkten. Sie verzeichnet einen leichten Rückgang von 2,2 Punkten und belegt damit weiterhin den ersten Rang. Die Bundeslandgruppe West (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland) verliert 6,2 Indexpunkte und fällt auf den dritten Platz zurück.

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