Wie sich Wirtschaft wandeln könnte

 

Kann die Wirtschaft immer weiter wachsen? Wenn ja: Geht das nachhaltig? Durch den Klimawandel stellen sich diese Fragen verstärkt. Für die Wirtschaft der Zukunft gibt es sehr unterschiedliche Ansätze.

Schon vor 50 Jahren veröffentlichte eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern einen Bericht an den Club of Rome mit dem Titel "Grenzen des Wachstums". Darin beschrieben sie, dass das Wirtschaftssystem kollabieren werde, wenn die Menschheit so weiter mache wie bisher. Die Nutzung fossiler Ressourcen und der damit einhergehende CO2-Ausstoß hätten den Klimawandel verursacht. Um ihn zu stoppen, müsse es Veränderungen in der Wirtschaft geben. Dabei geht es auch um Grundsätzliches: Denn ob eine Wirtschaft unendlich weiter wachsen kann oder nicht - in dieser Frage gibt es verschiedene Meinungen.


Postwachstumsökonomie

Der Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech ist überzeugt: Wir können nicht nur in ein Wirtschaftssystem ohne Wachstum übergehen, wir müssen es sogar. Er spricht sich für eine Postwachstumsökonomie aus. Die Grundvoraussetzung dafür wäre, dass Menschen bereit seien, weniger zu besitzen. Wenn das klappt, könnte es so aussehen: Die 40-Stunden-Woche wäre vorbei, 20 Arbeitsstunden würden reichen. Die Menschen müssten ihr Leben von Dingen entrümpeln, die sie nicht brauchen.

Weil alle weniger arbeiten müssten, hätten alle mehr Zeit, Sachen selbst herzustellen oder zu reparieren. Alles, was dann noch neu gebraucht werde, kaufe nicht eine einzelne Person und besitze es dann, sondern es werde unter vielen geteilt. Insgesamt führe das, so Paech, zu mehr Lebensqualität. Soweit die Grundsätze der Idee. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Für den Wissenschaftler hat dieser Wandel längst begonnen.

Praktische Beispiele im Kleinen

Ein Beispiel für eine Art Postwachstumsökonomie im Kleinen sind Solidarische Landwirtschaften, kurz: Solawis. Die Solawi Vorderpfalz in Schifferstadt ist inzwischen eine von vielen. Dort bewirtschaften zwei Familien einen Hof, bauen nachhaltig Gemüse und Getreide an. Eine feste Abnehmergruppe zahlt ein Jahr lang Geld an die Solawi und trägt auch die Risiken mit - wie etwa Ernteausfälle. Die Gruppe hilft den Hofbetreibern beim Anbau und bekommt dafür wöchentlich eine Kiste Gemüse.

So kann die Solawi nachhaltig anbauen und auch Sorten verwenden, die es nicht unbedingt im Handel gibt. Außerdem verwachsen die Gruppen der Konsumenten und der Hersteller miteinander, Wirtschaftswachstum steht nicht mehr im Mittelpunkt. Auch andere zählen zu dieser wachstumsfreien Wirtschaft, zum Beispiel Reparaturcafés oder Leihdienste.

Zeitwohlstand statt materiellem Wohlstand

Immer mehr Menschen schlössen sich einer solchen alternativen Lebensform an, so Paech. Dabei müsse klar sein, dass das alles nur gehe, wenn die Menschen bereit seien, weniger zu besitzen: "Der Umbau einer Wirtschaft zu einer Postwachstumsökonomie setzt voraus, dass Menschen in der Lage sind, mit weniger materiellem Wohlstand, mit weniger realer Kaufkraft irgendwie ihr Leben zu bestreiten." Das hält Paech für möglich, wenn es ein Umdenken gebe. Statt materiellem Wohlstand könnten Menschen sich daran bereichern, dass sie mehr Zeit haben. Zeitwohlstand nennt Paech das.

Für ihn stellt sich die Frage nicht mehr, ob die Menschen in einer Wirtschaft ohne Wachstum leben wollen oder nicht. "Wir haben keine Möglichkeit, das derzeitige Entwicklungsmodell des Nordens fortzusetzen. Die Ressourcen reichen nicht und die Aufnahmekapazität der Ökosphäre reicht auch nicht. Auch die Stabilisierbarkeit der dazugehörigen Wachstumswirtschaft ist nicht gegeben", so Paech. "By Design or by Desaster werden wir früher oder später eine genügsamere und nicht mehr wachsende Wirtschaft erleben."

Wirtschaftswachstum als Frage der Gerechtigkeit

Diese Idee der Wirtschaft ohne Wachstum wird von vielen Ökonominnen und Ökonomen nicht angenommen. Auch Estelle Herlyn sieht darin nicht die Zukunft. Sie leitet an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Düsseldorf das "Kompetenzcentrum für nachhaltige Entwicklung". Auch sie will eine nachhaltige Wirtschaft gestalten. Aber für Herlyn ist klar, dass wirtschaftliches Wachstum der einzige Weg ist, die weiter wachsende Weltbevölkerung zu versorgen: "Heißt, alleine deswegen muss letztlich das, was da weltweit an Gütern, an Nahrungsmitteln und so weiter hervorgebracht wird, noch mal gesteigert werden. Da ist auf der Weltebene unbedingt ein Wachstum notwendig."

Außerdem können Armut und die Unterschiede zwischen den Ländern nur durch Wachstum ausgeglichen werden, so Herlyn. Auch Deutschland könne nicht einfach als einzelnes Land beschließen, nicht mehr wachsen zu wollen. Die meisten Länder der Welt wollen weiter wachsen. Als einzelnes Land aus diesem Wettbewerb auszusteigen, würde bedeuten: "Es würde schnell zu großen ökonomischen Verlusten führen. Man wird seine Marktanteile verlieren, wird nicht mehr das innovative System sein. Das ist die Schwierigkeit. Am Ende ist man auch zu Wachstum verdammt in dem Moment, in dem man in diesem Wettbewerbsumfeld unterwegs ist." Wenn, dann müsste die Welt kollektiv entscheiden, wirtschaftlich nicht mehr wachsen zu wollen. Davon sei man jedoch weit entfernt, erklärt Herlyn.

Nachhaltiges Wachstum durch die Unternehmen

Eigentlich bräuchte es laut Herlyn eine globale politische Instanz, die Anreize gibt, zum Beispiel durch einen weltweiten CO2-Preis. Auch ein massiver Geldfluss aus dem globalen Norden in den globalen Süden wäre wichtig, um Klimaschutz und Entwicklung zu finanzieren. Das sei aber nicht zu erwarten.

Deswegen hofft sie auf nicht-staatliche Akteure und die Unternehmen selbst. Es gebe bereits viele Firmen, die sich einbrächten, die Klimaschutz finanzieren wollten oder die ihre CO2-Emissionen kompensierten. "Das lässt sich noch viel weiter denken, weit über die Kompensation hinaus", so Herlyn. "Zukünftig müssen wir hinkriegen, dass wir für verbrauchte Naturressourcen, für verbrauchtes Naturkapital, aufkommen und auch da irgendwo kompensatorische Maßnahmen ergreifen und an anderer Stelle Naturkapital wieder aufbauen." Konkret hieße das zum Beispiel Aufforstung und der Schutz der Regenwälder. So könnte man auch die Biodiversitätskrise angehen, findet Herlyn. Nur seien die Unternehmen da derzeit noch freiwillig unterwegs. Der Wettbewerbsdruck mache es für viele schwerer, sich im Klimaschutz einzubringen.

Bei beiden Ideen, der nachhaltig wachsenden Wirtschaft und der Postwachstumsökonomie, ist jedoch klar: Ein Umbau ist dafür erforderlich - und der wird nicht leicht.

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