Krise ade? Es wird wieder mehr gegründet

Die Zahl der neu gegründeten Start-ups klettert um 17 Prozent. Dabei stellt das Thema Künstliche Intelligenz sogar die Nachhaltigkeit in den Schatten. Erhalten bleiben zwei Negativtrends.

Es zeichnet sich ein deutlicher Aufschwung bei der Zahl der neu gegründeten Start-ups in Deutschland ab. Von Januar bis März entstanden 658 Jungfirmen. Das geht aus einem dem Handelsblatt exklusiv vorliegenden Bericht des Datendienstes Startupdetector und des Finanzinvestors Hightech Gründerfonds hervor.




Im Vergleich zum Vorquartal entspricht das einem Plus von 17 Prozent. Mit Blick auf das Vorjahresquartal liegt der Anstieg bei nahezu fünf Prozent.

Die Zahl der Gründungen gilt als Stimmungsbarometer in einer Branche, die zuletzt merklich unter der Zinswende, den großen konjunkturellen wie auch geopolitischen Herausforderungen und der Finanzierungskrise gelitten hat. Vor allem Letztere ist längst noch nicht überstanden.

Der aktuelle Trend hebt sich besonders positiv ab, weil die Zahl der Neugründungen im vergangenen Jahr deutlich eingebrochen war – 2023 war sie um zehn Prozent auf insgesamt 2558 Start-ups gesunken. Das ist weniger als in den fünf Jahren zuvor.

Zugleich ist die Zahl weit vom Rekord in der Coronapandemie 2021 entfernt. Damals zählten die Marktbeobachter 3590 Neugründungen. Günstiges Geld hatte für einen Finanzierungsboom gesorgt.

Positiv hebt sich das Bundesland Sachsen vom Negativtrend des vergangenen Jahres ab. Während in den meisten Bundesländern wie Thüringen, Bremen, Bayern, Brandenburg und Hessen die Start-up-Gründungen zweistellig zurückgingen, stach Sachsen mit einem deutlichen Zuwachs hervor. Dort entstanden im vergangenen Jahr 35 Prozent mehr Start-ups als noch 2022, vor allem in den Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz.

Zu den Jungfirmen, die im vergangenen Jahr in Sachsen an den Start gingen, zählt auch die Vegane Fleischerei in Dresden, die Fleischersatzprodukte vertreibt. Geschäftsführer Nils Steiger bezeichnet den Standort schon als „Zuhause“.

Auch Eric Weber, Gründer des Leipziger Accelerators Spin Lab, begeistert sich für den Standort. „Durch die hohe Dichte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen werden in Sachsen traditionell überproportional viele Hightech-Start-ups gegründet“, begründet er die Entwicklung. Und Investoren hätten verstärkt nach Start-ups mit mehr Substanz gesucht.

Zuletzt fielen in Sachsen ansässige Jungfirmen wie das Wasserstoff-Start-up Sunfire und das Chipunternehmen Semron mit Finanzierungsrunden auf. Mit 93 Jungfirmen belegt Sachsen unter den Bundesländern Platz acht. Mit großem Abstand führen die Rangliste Bayern und Berlin an.

Neben dem Standort der neuen Start-ups sind natürlich auch die Bereiche interessant, in denen die neuen Gründer Potenzial sehen. So ist etwa laut Startupdetector die Zahl der Start-ups, die auf Künstliche Intelligenz (KI) setzen, seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 stark gewachsen.

Seither hat sich die Zahl der Neugründungen mit KI-Bezug jedes Quartal verdoppelt. 15 Prozent aller im vergangenen Jahr gegründeten Start-ups verwendeten in ihrem Angebot in irgendeiner Form KI. Demgegenüber gingen die Neugründungen rund um das Thema Nachhaltigkeit zurück.

Auch Investor Simon Schmincke vom Investor Creandum beteiligt sich inzwischen verstärkt an Firmen, die sich den neuen Herausforderungen durch KI stellen. „Aufgrund der immer mächtigeren Sprachmodelle von OpenAI, Mistral, Gemini und Llama können sich heute Gründerteams auf den Endanwender konzentrieren, anstatt rein auf die KI“, erklärt er den neuen Trend.

Fehlendes Kapital bleibt ein Problem

Dem positiven Trend in den ersten Monaten des laufenden Jahres steht entgegen, dass es für Start-ups immer schwieriger wird, sich mit ausreichend Kapital auszustatten. Im vergangenen Jahr sind laut Pitchbook europaweit die Investitionen in Jungfirmen eingebrochen – um fast 46 Prozent.

Laut exklusiv dem Handelsblatt vorliegenden Pitchbook-Zahlen fielen die Investitionen im ersten Quartal in Deutschland um elf Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Das spiegelt sich auch in den Finanzierungsrunden wider, die sogar um rund zwölf Prozent zurückgingen.

Zu den Geldgebern, die trotzdem aktiv sind, gehört der Hightech Gründerfonds. Geschäftsführer Alex von Frankenberg sagt: „Wir haben 2024 bereits elf vielversprechende Neuinvestments getätigt.“ Dazu gehören die Climate-Tech-Start-ups Cyclize und Colipi. Zugleich habe es mehrere KI-Investitionen gegeben wie beispielsweise in das Datenanalyse-Start-up Scavenger AI.
Alex von Frankenberg ist Geschäftsführer beim Hightech Gründerfonds und verweist auf elf vielversprechende Neugründungen allein in diesem Jahr.

Pitchbook ist tatsächlich zuversichtlich, dass die Talsohle bei den Investitionsvolumina bald durchschritten ist. Der Datendienst begründet diese Haltung auch mit der politischen Unterstützung für das Start-up-Ökosystem. Als Beispiel nennt er und den eine Milliarde Euro schweren Wachstumsfonds der Bundesregierung, der den Innovationsstandort Deutschland stärken soll.

Neben dem fehlenden Kapital fällt ein zweiter Trend in der Start-up-Szene nicht eben positiv auf: Es geht um Frauen als Gründerinnen und Geschäftsführerinnen. Zwar hatte die Anzahl der Frauen als Geschäftsführerinnen im Jahr 2022 erstmalig die Marke von 20 Prozent übertroffen. Doch der Aufwärtstrend ist bereits wieder vorbei. Im vergangenen Jahr fiel der Anteil auf 17 Prozent zurück.

Valerie Hengl vom Wiener Netzwerk Female Founders sagt: „Die Gründe dafür sind vielschichtig und haben sowohl gesellschaftliche als auch strukturelle Ursachen.“ Ein Problem sei auf jeden Fall der extrem geringe Anteil weiblicher Investorinnen.

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